Die Wahlergebnisse der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen haben am vergangenen Sonntag viele Menschen erschreckt. Doch wer die politische Entwicklung in diesem Land verfolgte, war vermutlich weniger überrascht. Eine beschämende Wahl nicht nur für den Osten, sondern für ganz Deutschland.
Einige Zeitungen versuchen jetzt die Tatsache, dass zum ersten Mal seit 1945 eine faschistische Partei eine Wahl gewonnen hat, zu relativieren, indem sie argumentieren, dass in Thüringen nur 400.000 Menschen die AfD gewählt haben. Doch diese Betrachtung ist meines Erachtens zu kurzsichtig, lässt sie doch die Wahlergebnisse in Sachsen und die Wahlprognosen in Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern vollkommen außer Acht.
Zudem zerfällt die viel beschworene Brandmauer gegen die AfD auch auf Landesebene.
Im Dezember 2021 drohte Friedrich Merz (CDU) noch allen Parteimitgliedern mit einem Ausschlussverfahren, sollten sie mit der AfD kooperieren.
Nun, da über 30 Prozent der Thüringer die AfD gewählt haben, soll “aus Respekt vor den Wählenden” mit der AfD geredet werden. Neuerdings behauptet Merz,
“Das Wort Brandmauer hat nie zu unserem Sprachgebrauch gehört.”
Das Reden mit gesichert Rechtsextremen wird diese nicht “entzaubern”, sondern eine weitere Möglichkeit schaffen, populistische Positionen in die Öffentlichkeit zu bringen, damit sie in den Medien verhallen. Dies haben bereits unzählige Talkshow-Auftritte mit AfD-Politiker*innen gezeigt.
Selbstverständlich besteht weiterhin die Gefahr, dass das Gift des Populismus weiter um sich greift und Menschen in allen Teilen des Landes verblendet.
Doch was hilft im Umgang mit der aktuellen Situation? Was hilft einem ganz persönlich, aber auch politisch?
Zunächst ist festzustellen, dass die Erfahrung von Selbstwirksamkeit den lähmenden Auswirkungen des aktuellen Rechtsrucks entgegenwirkt.
Dabei kann es schon helfen, in den persönlichen Kontakt mit anderen Menschen zu treten, sich mit ihnen auszutauschen und neue Handlungsoptionen zu entdecken.
Das vorrangige Ziel ist hierbei nicht die Wahlumfragen um irgendeinen Prozentwert zu verändern, sondern wieder das Gefühl von Gemeinschaft und Solidarität zu spüren und daraus Kraft für die Zukunft zu gewinnen.
1. Vom Internet auf die Straße
Sicherlich macht es Sinn, Informationen im Internet zu verbreiten, Demo-Aufrufe zu teilen und Beiträge zu liken. Doch diese Form des Aktivismus birgt die Gefahr, dass mit ein paar Klicks schnell ein kurzfristiges Gefühl einer Aktivität erzeugt wird. Die verbreiteten Informationen erreichen jedoch weitestgehend nur die eigene Community und schaffen keine tiefergehende Verbindung zu anderen Menschen.
Wirklicher Zusammenhalt entsteht erst durch das gemeinschaftliche Erleben von Ereignissen, dem persönlichen Austausch und dem Kennenlernen von anderen Menschen. Dies bildet die Grundlage für einen nachhaltigen, tiefgreifenden Aktivismus, in dem es die zwischenmenschlichen Beziehungen stärkt und widerstandsfähig macht.
Insbesondere das Gefühl, nach einer Demo gemeinsam den Abend ausklingen zu lassen und die Ereignisse gemeinsam zu reflektieren, ist eine wertvolle Erfahrung. Daher besuche zusammen mit Deinen Freunden Aktionen gegen Rechts in Deiner Nähe oder auch weiter weg. Insbesondere die Organisatoren und Teilnehmenden von kleinen Demos freuen sich sehr darüber, wenn Menschen von weither anreisen. Damit gibst Du den Menschen vor Ort Kraft und bringst Deine Solidarität zum Ausdruck.
2. Organisiere Dich!
Die Zeit ab Januar wurde in vielen Bündnissen genutzt, um Strukturen aufzubauen, jetzt gilt es, diese weiter zu stärken.
Trete daher Bündnissen gegen Rechts oder antifaschistischen Organisationen in Deiner Nähe bei. Dabei brauchst Du keine besonderen Kenntnisse. Die Menschen vor Ort freuen sich sehr, wenn Du vorbeischaust und unterstützen Dich gerne mit ihrer Erfahrung und vermitteln notwendiges Wissen und Fähigkeiten.
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, eine demokratische Partei deiner Wahl zu unterstützen. Viele lokale Politiker*innen müssen sich immer häufiger Anfeindungen aussetzen. Sprech diese Menschen oder Parteien an und frage, wie geholfen werden kann.
3. Widerspreche!
Durch das regelmäßige Überschreiten des Unsagbaren, wird der politische Diskurs immer weiter nach rechts verschoben. Die Wahlergebnisse werden diesen Effekt nochmal verstärken. Menschen werden sich trauen, ihren Rassismus immer offener in die Gesellschaft zu tragen. Dies wirkt sich auch auf das reale Leben im öffentlichen Raum, auf Arbeit und in Sportvereinen, etc. aus.
Sie schaffen damit ein Klima des Hasses und schüren Angst bei Betroffenen. Dagegen gilt es, sich zu verteidigen. Lasse menschenverachtende, abwertende und diskriminierende Äußerungen nicht im Raum stehen, sondern widerspreche aktiv oder dokumentiere diese Aussagen und melde sie bei entsprechenden Stellen (Polizei, Betriebsrat, Gewerkschaft, Trainer*in, Vorsitzende).
Trainiere Deine Fähigkeiten zum Widerspruch und werde Stammtischkämpfer*in.
4. Schaffe sichere Räume
Orte, an denen sich Menschen vor Gewalt und Bedrohung sicher fühlen, vernetzen und Aktionen planen, sind ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft. Du hast ein Café, Restaurant, Bar, Club, freien Raum? Spreche Dich klar gegen Rassismus aus, nehme Kontakt zu Bündnissen und Organisationen auf, werde zur Anlaufstelle für den Widerstand und zum sicheren Hafen für Menschen, die gefährdet sind.
5. Redet miteinander
In der heutigen Zeit fühlen sich viele Menschen allein und haben niemanden, mit dem sie über ihre Ängste und Sorgen reden können. Seid Ansprechpartner*in und zeigt Euch solidarisch, ihr helft damit Menschen in der aktuellen Lage zu bestehen und wieder Selbstwirksamkeit zu entwickeln.
Fragt die Menschen aus der schweigenden Mehrheit, welche die aktuellen Entwicklungen entweder übersehen oder ignorieren, nach ihrer Meinung, um ein Bewusstsein für die aktuelle Situation zu entwickeln. Stellt Informationen zur Verfügung, ohne zu belehren.
6. Finanzielle Unterstützung
Das Geld in öffentlichen Haushalten ist knapp und wenn die AfD an der Regierung beteiligt ist, wird sie als erstes die finanziellen Mittel für soziale Strukturen streichen. Diese Strukturen sind jedoch wichtig, um dem Populismus etwas entgegenzusetzen und eine positive Perspektive für unsere Jugend zu entwickeln.
Eine Unterstützung von Jugendclubs und sozialen Einrichtungen vor Ort ist daher besonders wichtig. Tretet mit diesen Organisationen in Kontakt und erkundigt euch, was genau benötigt wird. Vielleicht helfen auch Sachspenden oder Arbeitskraft.
Darüber hinaus möchten wir an dieser Stelle noch eine Spendenempfehlung für Netzwerk Polylux e.V. aussprechen.
Eine Umarmung ist mehr wert als ein Like. Solidarisiert euch. Es ist Zeit zu handeln!